Freitag, 30. Dezember 2011

Sonst vergesse ich sie noch – 30/Dez/11



Natürliche Geht-nicht-anders-Treue und Sehnsucht-beschwängerte Trennung

Genug! Über Katzen wurde genug geschrieben. Aber nicht über meine beiden frei lebenden! Sie leben hier schon länger als ich. Als ich am 9/Jan/11 mein altes schattiges, viel preisgünstigeres und anheimelndes Domizil wieder bezog, erkannten sie mich vermutlich. Sie fingen an, mich in ihrem Sinne zu disziplinieren und setzten Piss-Marken direkt auf meine Sessel-Kissen im kleinen Vorgarten; sollte heißen: wenn du uns nicht beachtest und uns nicht fütterst, pissen wir. Zuerst wußte ich gar nicht, wer diese waren. Zunächst bemerkte ich nur, dass es penetrant roch. Die Waschmaschine stand bereits im kleinen Wäsche-"Hof" hinten, wie praktisch! Die Nasen-Beleidigung spielte sich vorn im schattigen Vorgarten unter einem großen überkragenden Balkon der oberen Wohnung ab. Dieser "Garten" mit Pflanzen-Töpfen ist Regen-geschützt, aber nicht Miezen-geschützt. Den einzigen Schutz vor feuchten Attacken sah ich nun tatsächlich darin, einen Pflanzen-Topf-Untersatz innen am Gartentor für Essen-Reste zu platzieren und guten Willen zu zeigen.

Derjenige, der folgsam gehorchte, war ich, kein Herren-Mensch; die Katzen hörten tatsächlich auf mit ihrem Nässen, benahmen sich ansonsten aber ungehobelt und demonstrierten, keine Fress-Manieren zu haben. Gräten und Teile des Fisch-Kopfes lagen in der Gegend herum. Hunde nehmen ihre Knochen zwischen die Pfoten. Katzen machen es nicht, sie meinen, dass ihre Tatzen zum Wegspringen da sind.  Freie Katzen von draußen, die sich ihren Lebens-Unterhalt abholen und dann wieder verschwinden, haben keine Hunde-Manieren. Die Fischgräten überall verteilt, die Reste vom Fischkopf auch, ähnelte der Platz am Gartentor der Hinterlassenschaft russischer Familien am Strand, die Strand-Liegen sparen und als "freie Russen" hingehen, wo auch die Einheimischen hingehen, um das wenige Geld zu sparen. Wer sich frei fühlt, darf Dosen, Tüten und Reste  liegen lassen, meinen sie wohl.

Von mehreren Katzen blieben zwei übrig, die ihr Revier bei mir erobert hatten, ein brauner Kater und eine schwarze Katze. Die Schwarze machte eine Riesen-Sauerei, als ich einmal einen Tag weg war, indem sie eine Verletzungs-Blutung wirklich überall verteilte, auch auf den Sitzkissen, die vorher den strengen Geruch-Marken gedient hatten. Überall waren rote Flecken, meist schon getrocknet. Ich nahm die Bezüge und trat wieder den Gang in den Wäsche-Hof an. Offenbar war die Verletzung während der Rolligkeit entstanden, zumal sie nachts sehr oft Klage-Gesänge mit herzzerreißend menschlichem Timbre von sich gab. Trieb und Verletzung wirkten zusammen. Stärker war der Trieb. Wohl auch stärker als die Angst vor dem männlichen Widerhaken bei der Befruchtung; dafür kann der Kater nichts. Die Natur wollte es so, gab ihm ein Unterjochungs-Mittel, das Menschen nicht haben. Menschen benutzen stattdessen Religionen als Mittel der Unterdrückung ihrer Frauen. In der Hierarchie stand der Kater oben, fraß regelmäßig zuerst aus dem Topf-Untersatz, während die Schwarze auf der Garten-Mauer devot zu lauern pflegte, in der Hoffnung, dass etwas übrig bleibt.

Als eines Nachts das Gejaule der Schwarzen bizarre Formen annahm, und ich gerade wach war, stieg ich vor die Tür und sah die beiden im Mondlicht mitten auf der Straße und dort ihr wildes Sexual-Leben ausleben. Kein Hund war in der Nähe, um diese Zeit, etwa zwischen 2:00 und 3:00, schlafen sie, und die beiden Verrückten wussten das. Mit meiner leicht empörten Neugierde hatten sie nicht gerechnet. Als sie mich in einer Entfernung von etwa 20 Metern bemerkten, fühlten sie sich extrem gestört und unterbrachen, machten sich davon, denn sie wussten mit Sicherheit einen anderen ungestörteren Ort. Ein gutes Gefühl hatte ich nicht, aber sie waren weg. Prinzipiell bin ich dagegen, derartig zu stören.

Die Schwarze ist zu bemitleiden, denn sie hat viele berechtigte Ängste und muss Schmerzen durchstehen, malte ich mir aus. Auch wenn sie Fisch im Untersatz sieht, und ihr Kater-Gatte außer Sichtweite ist, wartet sie Minuten, beobachtet meine Tür oder mich, die Hunde von gegenüber, das Terrain obendrein. Dann erst pirscht sie sich geduckt heran an den Leckerbissen.

Der Kater dagegen probiert seine Rechte sehr viel direkter. Gelegentlich versucht er sich als Teilmengen-Hauskatze und bleibt irgendwo in meiner Nähe am Boden schon mal liegen. Ein Ansatz von Vertrauen dient ihm dazu, sein Revier zu behaupten, lediglich unterbrochen von ständiger Bereitschaft, mir den Vortritt zu lassen, wenn ich mich bewege. Eine solche Bewegung, auf Google Earth sicherlich erkennbar, führte mich gestern zum Kaufhaus Carrefour, das jetzt BigCextra heißt. Dort gibt es einen ziemlich großen roten Fisch für nur 45 Baht, der auch noch kostenlos fertig gedünstet wird. Zellophan-Verpackung und Preisschild machen den noch heißen Fisch zu einer Ware an der Schnell-Kasse.

Mit meinem kleinen Einkauf fuhr ich zurück, denn diesmal wollte ich den Fisch zuhause genießen, allein genießen, mit Messer und Gabel wie ein Hund. Ich brauchte Ersatz, vermisste ich doch meine geliebte Yo. Ich wusste sie im Heimat-Dorf, um unser kleines Haus fliesen und das Bad machen zu lassen, nebenher noch die Mutter zu pflegen und für die 7jährige Tochter da zu sein, die nun auch meine Tochter ist. Somit versorge ich mich in dieser Zeit selbst. Den noch heißen Fisch, für mich zubereitet, wollte ich so richtig genießen. Der beste Platz dafür ist vor dem Fenster im Vorgarten. Die beste Atmosphäre gibt Musik von innen durch eben dieses Fenster. So nahm ich denn auf inzwischen blitzsauber gereinigten Geruch-freien Kissen Platz. Dann war noch eine gebastelte Essen-Platte zu befestigen, die ich über die Holz-Lehnen legen kann. Super gemütlich und praktisch! Den Fisch legte ich auf einen Servier-Teller, genau so wie es meine Yo immer macht, Besteck dazu, Getränk. Das Tablett legte ich erst einmal draußen auf den Tisch. Von da musste ich es auf die Platte auf dem Stuhl ziehen, da ja Yo nicht da war. Als Gesunder konstruierte ich mir Vorteile, die sonst Kranke in einem noblen Privat-Krankenhaus haben; das und mehr konnte ich genießen und das wohlige Gefühl potent zu sein obendrein. Bis zur endlichen Mahlzeit dauerte es noch. Ich ging kurz ins Zimmer, um etwas am Computer abzuschließen.

Einschieben möchte ich einen Gedanken zur Gesundheit, denn ich hatte mich als "Gesunden" beschrieben, vorsichtshalber beschränke ich die Beschreibung auf die körperliche, die geistige weiß ich nicht. Auffällig Hand in Hand mit "Gesundheit" geht ein gelegentlich rolliger Zustand, vergleichbar mit dem meiner beiden Viecher zwischen zwei und drei Uhr nachts. Gesundheit hat ihren Preis, der darin besteht, den Körper funktionieren lassen zu sollen.

Der Körper funktioniert aber zurzeit nur dann jugendlich rund, inspiriert vom weiblichen Genius meiner Frau, wenn sie auch leibhaftig da ist. Natürliche Geht-nicht-anders-Treue überbrückt derweil die Sehnsucht-beschwängerte Trennung. Das Tablett auf dem Tisch vergaß ich fast, weil ich das Layout meiner EPHEMEROPTERA-Seite noch abzuschließen hatte und Minuten davon nicht weg kam. In diesen Minuten geschah etwas.

Nun umso hungriger ging ich durch die Tür wieder nach draußen, zu meinem Menü. Was sah ich? Einen weghuschenden Kater! Jeder kann raten, was er gemacht hatte. Ziemlich große Stücke fehlten am Fisch. Extrem manierlich hatte er sie äußerst sauber heraus gebissen. Diesmal gab es keinen Grund für schlechte Fress-Manieren. Nicht immer nur die Gräten und wenig dran waren da, sondern das saftige Ganze. Mein erster Gedanke war Rache, der zweite war die Frage, wer hat schuld, der dritte war die Erkenntnis, dem Kater etwas mehr als nur blanke Gräten hinstellen zu sollen und der vierte war schon das Ergebnis: selbst schuld, mach das Beste daraus. Die Fress-Manieren von Katerchen waren so perfekt gewesen, dass ich die noch unberührten Teile separieren konnte. Und es war genug für alle alle da, für alle, die auf dem Plan waren, einschließlich für mich. Die Kurve von Testosteron-Rache hin zu sanfter Selbst-Erkenntnis glich einer Parabel. Die Parabel stieg und fiel, animierte mich dazu, einen hochpolitischen Vergleich aufzusetzen.

Nun hatt ich plötzlich ein tierisches Verständnis für unsere griechischen EU-Partner. Sie nahmen sich den Euro-Fisch und glichen dem braunen Kater. Der leckere Fisch war ihnen - dumm genug - auf einem Tablett serviert worden. Während die EU-Geberländer mit anderen Problemen beschäftigt waren, so wie ich mit dem Layout, genossen die Griechen erst einmal "das saftige Ganze".

Die kleine Geschichte ist trotz des letzten Satzes noch nicht ganz zu Ende. Tage später hatte ich meinen Freund aus Birmingham/Alabama bei mir. Er saß mir gegenüber im Vorgarten im Schatten, dort, wo ich die Reste des Fisches für mich separiert hatte. Da erschien auch die schwarze Katze am Gartentor. Trocken, wie Amerikaner sein können, machte er mich auf ein Detail aufmerksam (meine Augen waren nicht die besten). "Your black cat has balls. I can see the balls. The cat is a Tom-Cat.

Die Schwarze der Kater, der Braune die Katze. Die Geschichte mit dem Blut, das Liebes-Spiel, was mache ich nun? Bitte nochmals spiegelverkehrt lesen! Das Chaos ist perfekt. Bei den Griechen macht das Chaos die perfekte Geschichte.


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